Fernpassbahn Ehrwald – Silz

Trassenführung und Größenvergleich mit Baustelle BBT-1 bei Pfosch

Kaum einer kann bzw. will es glauben, doch dieses Projekt gibt es wirklich und es wird auch vonseiten der Tiroler Landespolitik mit Nachdruck vorangetrieben. Viele Ehrwalder wollen es nicht glauben, weil wir alle die lokalen Gegebenheiten kennen und es uns einfach nicht vorstellen können, dass eine Bahnlinie quer durch das (Unter)Dorf realisierbar sein soll.

Seit Jahrhunderten weiß man, dass das Ehrwalder Moos seinem Namen mehr als gerecht wird und somit einer Verbauung nachhaltig trotzt. Trotzdem planten gut bezahlte Experten in den 1970’ern das Projekt “Autobahn München-Verona”, von dem bei uns damals auch niemand etwas wusste – bis der Bautrupp anrückte. Jetzt gibt es dort einen artesischen Brunnen und einen Fußballplatz. Für eine Bahntrasse ist das Moos zu sumpfig, das Gelände zu steil und entlang der Hauptstraße ist alles verbaut – da kann nichts gebaut werden – denken wir. Doch die Technik hat sich weiterentwickelt, was vor 15 Jahren noch Utopie war, ist heute Realität. In Linz wird für den Westring ein ganzer Stadtteil (25 große Mietshäuser, gesamt ca. 350 Wohnungen) geschliffen.

Dass die Pläne real sind, habe ich aus Dokumenten erfahren, welche ich im Herbst 2019 aus dem Amt der Tiroler Landesregierung auf Anfrage erhalten habe. In der Folge ergab sich daraus ein zweiwöchiger e-mail Verkehr, in dessen Verlauf ich noch zusätzlich Informationen erhielt. Für mich nicht vorstellbar waren insbesondere der Höhenunterschied vom dzt. Bahnhof hinunter zum neu geplanten Bahnhof hinter der Shell-Tankstelle – und das im “weichen” Moos. Die Antwort zeigte deutlich, dass alles bis ins Detail geplant war – inklusive Kurvenradien, Steigungswinkel, etc. Für die Trassenführung und den Bahnhof im Moos war eine “schwimmende Wanne” vorgesehen – quasi ein “Schiff”. Da hatte man sich schon etwas dabei überlegt, das ist eine sehr fundierte Machbarkeitsstudie. Einen Auszug aus diesem e-mail Verkehr stelle ich bereit.

Dokumente belegen die Pläne

Bereits im Schlussbericht 2016 der Fernpass-Strategie des Landes Tirol wird eine S-Bahn vom Ehrwalder Becken nach Ötztal Bahnhof im Anhang als Vision genannt (Seite 48). Darüber hinaus gibt es seit März 2019 eine (vom Land Tirol in Auftrag gegebene) 172-seitige Machbarkeitsstudie zur Bahntrassierung zwischen dem Ehrwalder Becken und Ötztal-Bahnhof. In dieser werden konkrete Trassierungen untersucht. Desweiteren werden ein Landtagsantrag (34/17) und eine Landtags-Entschließung (172/17) zitiert. Wer es sich nicht vorstellen kann, dass die Trasse quer durch das (Unter)Dorf geplant wird – auf Blatt 6 ist die Detailgrafik und auf Blatt 8 sind die technischen Vergleichsdaten. Eine Chronologie findet sich in der Landtagsevidenz samt den wichtigsten Dokumenten hierzu. Der komplette Endbericht erreichte uns Anfang Mai 2021 (siehe auch die Beiträge “Augen zu und durch” sowie “Der komplette Bericht“). Die viel zitierte “Schweizer Studie” ist nur aufgewärmter Kaffee und folgt der Linienführung des Autobahnprojektes München-Verona, quer durch das Moos (siehe zweiter Absatz).

Eine grobe Berechnung der Verkehrslast

So ein Tunnelbau produziert eine Menge Ausbruchsmaterial. Für den Semmering-Basistunnel spricht ein Deponietechnischer Bericht von etwa 190.000 m³ pro Kilometer Länge (Kapitel 4.1.1, Seite 9). Für die 17,6 Kilometer Ehrwald-Silz wären das 3,3 Mio m³ (das entspricht einem Würfel von 150 m Kantenlänge – festes Material), oder umgerechnet 9 Mio Tonnen Gesteinsausbruch.

Mengenvergleich Ausbruch ergibt Würfel mit 150m Kantenlänge

Wenn man das in 40 to Muldenkipper verladen würde, wären das bei 20 to pro Fuhre insgesamt 450.000 Fuhren. Die Hälfte davon auf jedes Portal (Ehrwald und Silz) verteilt, bedeutet 225.000 Fuhren an Ausbruchsmaterial. Über einen Zeitraum von 11 Jahren verteilt kommen wir damit auf 60 Fuhren pro Tag (bei 350 Tage im Jahr). Und das ist nur der Ausbruch – dazu kommt noch all das Material, das für die Baustelleneinrichtung, deren Betrieb und auch für die Auskleidung des Tunnels selbst gebraucht wird.

Somit ca. 100 LKW Fahrten (in eine Richtung) pro Tag, in einer Tourismusgemeinde? Die Folgen kann sich jeder selbst ausmalen. Zudem muss so ein Tunnel belüftete werden, was wiederum eine gewisse Lärmkulisse nach sich zieht (Vergleich die Schneekanonen – 365 Tage à 24 Stunden, nonstop).

Die Finanzierung ist die größte Gefahr

Ein weiteres oft in Feld geführtes Argument ist die Un-Finanzierbarkeit eines solchen Projektes – immerhin wird die favorisierte Variante auf 1,5 Mrd. Euro geschätzt.

Füllhorn mit Goldmünzen

Bis März 2020 wären 1,5 Mrd. Euro noch ein großer Brocken gewesen. Doch dann kam Corona und wir haben gelernt “…Geld spielt keine Rolle, koste es was es wolle…” und unser Finanzminister hat am 18. März 2020 quasi über Nacht 38 Milliarden Euro aus dem Ärmel geschüttelt.

So ein Projekt, als Bestandteil des TEN (Trans Europäischen Netzwerk), wird mit EU-Mitteln finanziert. Es ist eine Zulaufstrecke für den Brenner Basistunnel, Deutschland ist im Bau dieser Strecken säumig und will die Strecke München Garmisch weiter ausbauen. Im Konnex mit einem “CORONA-Wiederaufbauprogramm“, zur Ankurbelung der Europäischen Wirtschaft, könnte es sehr leicht möglich sein, dass diese Gelder schneller bereitstehen, als wir alle es uns vorstellen können.

Problematisch ist dabei, dass die Entscheidungen nicht hier bei uns fallen, nicht einmal in Tirol, sondern in Brüssel und Wien. Denen ist unser Talkessel vollkommen egal. Oder frei nach Zobelix: “Die Außerferner gehen uns am A…. vorbei!” zudem “Wer sind diese Außerferner überhaupt?”

Unsere Aufgabe

Wir sind nun alle aufgerufen, dieses Projekt, solange es noch irgendwie geht, mitzugestalten. Wir haben nur die eine Chance: Wenn wir uns rechtzeitig in die Planungen hineinreklamieren, um die Trassenführung marginal zu verändern.

Menschen am Berg helfen sich gegenseitig

Das können wir nicht, indem wir nur gegen das Projekt sind oder es komplett ablehnen. Nein, wir müssen mit konkreten Vorschlägen kommen, welche den Mehrwert des Projektes erhöhen. Je größer dieser ist, desto mehr Akzeptanz wird das Projekt auch bei der lokalen betroffenen Bevölkerung gewinnen. Genau das ist es, was wir den Projektbetreibern klarmachen müssen. Damit wird auch ihre Arbeit leichter und es entsteht eine Win-Win-Situation.

Konkret denke ich dabei an folgende Punkte – weitere Vorschläge sind willkommen und hilfreich:

  • Verlagerung des Nord-Portals samt Bahnhof in den Bereich Schanz – damit abseits vom Talkessel und der gesamte Transport kann über die bestehende Schiene erfolgen.
  • Nutzung des obligatorischen Rettungs-/Erkundungsstollens als U-Bahn von der Schanz bis zur Talstation Ehrwalder Alm (Zwischenstopp Wettersteinbahn, Sonnenhang/Dorfzentrum) – zur Lösung unseres Verkehrsproblems mit Tagestouristen insb. im Winter.
  • Nutzung des Stollens auch als Energiequelle über Wärmepumpen (analog zum Brenner Basistunnel) in Hinblick auf unsere Energieautarkizität
  • Sicherstellen, dass die Kernzone unseres Wasserschutzgebietes nicht berührt wird (die aktuellen Trassen verlaufen sehr knapp vorbei, wenn nicht sogar durch).

Die ersten drei Punkte können als umweltfreundliche und nachhaltige Prestigeprojekte dienen, mit der man für das Projekt werben kann – darüber hinaus gibt es für so etwas Zusatzpunkte bei Förderungen.

Wir sitzen alle im selben Boot und müssen alle gemeinsam an einem Strang ziehen, um es ans sichere Ufer zu bringen. In diesem Sinne müssen wir unsere Kräfte bündeln – über Partei- und Interessensgrenzen hinweg.

Weitere Links

Für Interessierte habe ich hier eine Sammlung von Links zusammengestellt, welche die mediale Präsentation umfassen und weiterführende Informationen bieten (die Liste wird laufend ergänzt):


Die mediale Berichterstattung dazu:


16.08.2022 … Vor zwei Tagen erreichte mich ein Leserbrief, welchen ich hier in Abstimmung mit der Autorin in anonymisierter Form veröffentlichen darf. Er zeigt sehr deutlich, dass dieses Projekt große Betroffenheit hervorruft, auch wenn es die politisch Verantwortlichen nach wie vor lieber zu Tode schweigen würden.