waren die geflügelten Worte in der Sitzung des Gemeinderates zu Biberwier am 3. Juli 2024. Es ging um den Verkauf von 34.026 m² Grundfläche sowie das Einräumen von Servituten auf 50.375 m² im Zusammenhang mit dem Fernpass-Scheiteltunnel und der Mautstation dafür.
“…ich weiß es nicht…” war eine sehr häufige Antwort bzw. auch Einleitung, wenn es um Fakten oder Einschätzungen ging. Das Tragische daran: Der Gemeinderat zu Biberwier wurde ja von der Tiroler Landesregierung aufgefordert, eine folgenreiche Entscheidung zu treffen, welche auch für nachfolgende Generationen überregional gültig ist. Zahlreiche Mandatare bemängelten mehrfach, dass es einfach nicht genug stichhaltige und verlässliche Informationen zu einzelnen kritischen Punkten gibt. Das Einzige wofür es bereits anschauliche, aber noch immer nur grobe Pläne gibt, ist das Tunnelportal. Wie sich herausstellte, gibt es offensichtlich nicht einmal einen formellen schriftlichen Antrag für dieses Bauprojekt – nur ein e-mail an den Bürgermeister. Dazu bemerkte Bgm. Schönherr beschwichtigend, dass es auch für den zuvor beschlossenen TOP einer Umwidmung von Freiland in Sondernutzungsfläche gem. § 43(1) a TROG auch keinen gäbe.
Was es schon geben soll, sind schriftliche Zusagen zu einzelnen Punkten eines umfangreichen Forderungskataloges der Gemeinde und Agrargemeinschaft Biberwier, welche als unabdingbare Voraussetzung für den GR-Beschluss dienen sollen. Dieser Forderungskatalog beinhaltet (Originalformulierungen):
- keine Privatisierung der Mautgesellschaft
- sämtliche Maßnahmen zur Erhaltung der bestehenden 7,5 t Beschränkung
- Loisachquellen – Zugänglichkeit für Fußgänger und Radfahrer über einen neuen Weg unter der Unterführung (Pfarrer-Fink-Steig)
- Talkesselumfahrung – nach der Machbarkeitsstudie muss im Anschluss an die Baustellen am Fernpass (Lermooser und Fernpass Tunnel) dieses Projekt unmittelbar und verbindlich umgesetzt werden
- Baustellenverkehr muss über die B179 geregelt werden – das Ortsgebiet steht nicht zur Verfügung
- Die Errichtung der gemeinsamen Talkessel Sportanlagen (Fussball und Tennis) – keine finanzielle Beteiligung durch Gemeinde Biberwier
- Wenn die gemeinsame Anlage, aus welchen Gründen auch immer nicht zustande kommt, erhält Biberwier eine Ausweichanlage und ggfls. nach Baustelle die bestehende wieder hergestellt
- Das Gutscheinsystem muss zeitlich mit der Mauteinnahme gekoppelt sein
- Alle Mitarbeiter der Mautgesellschaft incl. Geschäftsführung sind auf Dauer in Biberwier kommunalsteuerpflichtig
- In Biberwier wird eine Begegnungszone (ca. 150 Meter) errichtet
- Die Lärmschutzmaßnahmen ab dem Tunnelportal Lermoosertunnel Portal Biberwier muss vor Beginn der Baustelle errichtet werden
- Digitaler Infopoint und digitale Amtstafel wird vom Land Tirol übernommen
- Fußgänger- bzw. Wildbrücke Blindsee
- Errichtung Holzlagerplatz wenn notwendig
- Zufahrt Baustelleneinrichtung Brändle über eigens errichtete Zufahrt (Doppelt T mit Linksabbieger)
- Errichtung neuer Bau- und Recyclinghof mit Zufahrt wie am 26.06.2024 besprochen
- Parkplatz Zugspitzblick (Errichtung und aufstellen von Parkautomaten)
- Baustellenbauten Nähe Fußball- und Tennisplatz sollen nach Baustelle teilweise erhalten bleiben
- Stromzufuhr Blindsee ab Mautstation
- Schrankenanlagen mindestens 4 Stück auf forstwirtschaftlichen Wegen
- Baustellenmitarbeiter Tunnelbau sind in Biberwier Kommunalsteuerpflichtig
- Mautgesellschaft: Biberwier stellt einen Aufsichtsrat
- Grundablösen: dauerhaft 35,- €/m² (einmalig), vorübergehend 4,- €/m² und Jahr (wertgesichert), Servitut jährlicher Fixbetrag von 200.000,- € Indexgesichert für Gemeinde Biberwier
- Betrag lt. Gutachten für Grundablöse geht an die Gemeindegutsagrargemeinschaft Biberwier
- Vor Baubeginn müssen alle Punkte schriftlich zugesagt werden!
Im Laufe der Sitzung wurde diese Liste noch um den Punkt “Versetzung der Dosierampeln vor die Abfahrten” ergänzt.
Bgm. Schönherr betonte mehrfach, dass all diese Punkte in einem eigenen zivilrechtlichen Vertrag zwischen der Gemeinde Biberwier, der Gemeindegutsagrargemeinschaft Biberwier und dem Land Tirol fixiert und somit abgesichert werden sollen. Auf die Frage “…und wer garantiert uns, dass sich das Land – insb. nach einem Regierungswechsel – daran halten wird?…” bemühte der Bgm. den alten juristischen Grundsatz:
pacta sunt servanda
“…Verträge sind einzuhalten…”. Nun ja, wenn dem wirklich so wäre und sich jeder an gültige Regeln, Gesetze und vor allem geschlossene Verträge halten würde, wäre genau diese Berufsgruppe überflüssig. Die praktische Lebenserfahrung zeigt jedoch, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Somit sind die Bedenken der Opposition und deren Forderung nach Ausarbeitung des unterschriftsreifen Vertrages VOR dem GR-Beschluss nachvollziehbar. So handelt es sich nur um Absichtserklärungen, dass so ein Vertrag irgendwann einmal unterschrieben werden soll.
Sehr eingehend wurde auch über das 7,5 to Limit auf der B179 diskutiert. Die der Landesregierung getreue Seite beteuerte die 100%-ige Standfestigkeit dieser Beschränkung. Diese begründeten sie mit den bereits bekannten Rechtsgutachten aus den Jahren 2014, 2018 und 2019 (Arno Kahl, Thomas Müller und Walter Obwexer) sowie dem Evaluierungsbericht des Büros Planoptima 2019: “…das LKW-Fahrverbot ist weiterhin erforderlich, da sonst die Leichtigkeit und Flüssigkeit des für den LKW-Verkehr maßgebenden Werktagsverkehr nicht gegeben ist…”. Prämisse für dieses Limit ist somit der LKW-Verkehr selbst. Nicht der Schutz der Bevölkerung. Hier wird der Bock zum Gärtner gemacht. Gerade mit der Beseitigung zweier natürlicher Garantien für dieses Limit – die Passhöhe sowie Haarnadelkurve – wird diese Strecke für den LKW-Transit zunehmend attraktiver. Es wird somit wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis irgendein Frächter gegen dieses Fahrverbot klagt. Dann werden die Gerichte entscheiden und kein Rechtsgutachter oder Politiker.
Das Versprechen von LHStv. Josef Geisler “…wenn das Limit doch fallen sollte, mache ich gleich am nächsten Tag eine neue Verordnung…” entbehrt mE. jeglichen Realitätssinn. So schnell erlässt man keine durch Gerichte aufgehobene Verordnung. Dafür gibt es Fristen und gesetzlich vorgeschriebene Wege. Bei der letzten Aufhebung am 2.07.2009 durch den Verfassungsgerichtshof dauerte es 5 Monate bis zum Erlass der nun aktuellen Verordnung vom 1. Dez. 2009 (welche per 1.01.2010 in Kraft trat).
LHStv. Geisler ließ auch mit einer anderen Wortmeldung aufhorchen. Auf die Frage, ob die Landesregierung eine etwaige Ablehnung ernst nehmen würde oder es zu einem “Drüberfahren” und idF. Nachteile für Biberwier geben könnte, antwortete er sinngemäß: So ein Entschluss wäre schon ein deutliches Zeichen und würde auch als solches wahrgenommen. Dann verwies er auf ein letztes Druckmittel, welches das Land hätte: den Lermooser Tunnel. Bei seiner Sanierung würde der ganze Verkehr durch Biberwier fließen. Diese Wortmeldung wurde vom überwiegenden Teil des Publikums als “Erpressung” und “Frechheit” kommentiert und mit lauten Buh-Rufen untermalt.
Auch wenn ich diese Wortmeldung als Freud’schen Versprecher und somit als nicht geplant ansehe, zeigt sie mir doch sehr deutlich, wie weit sich die Landesregierung bereits von der Bevölkerung entfernt hat. Sie finalisierte auch das, was Bgm. Schönherr zu Beginn der Sitzung mit all seinen Kräften versuchte durchzusetzen: Den Ausschluss der Nicht-Biberwierern von einer öffentlichen Veranstaltung zu einer Entscheidung mit weitreichenden und überregionalen Konsequenzen ganz nach dem Spruch:
divide et impera
“…teile und herrsche…” – teile die Bevölkerung in kleine Gruppen auf und verhindere, dass sie sich gemeinsam auflehnen. In gewissen Kreisen offenbar ein intimer Leitspruch.
Am Ende stimmte der Gemeinderat zu Biberwier mit 6 gegen 5 Stimmen für den Verkauf – nicht zuletzt unter dem Druck des vielfach zitierten Damokles-Schwertes einer möglichen Enteignung. Auch wenn sogar Dr. Knapp (Leiter der Abt. Verkehrs- und Seilbahnrecht) diese Möglichkeit am Vortag in Abrede gestellt hat.
Damit hat die Bgm-Fraktion eine große Verantwortung übernommen. Sie wird sich daran messen lassen müssen, ob sie wirklich alle diese Forderungen durchzusetzen imstande ist. Sie wird am nächsten Wahltag die Rechnung präsentiert bekommen – frei nach dem Motto alles oder nichts. Wenn das nicht klappt, wird man sie mE. als “Ausverkäufer des Talkessels” brandmarken.
Spannend wird dabei auch, was mit dem “bedingten GR-Beschluss” passiert, wenn einzelne Forderungen NICHT erfüllt werden. Wird der Scheiteltunnel dann zugeschüttet, wenn das 7,5 to Limit doch fällt? Oder die Talkesselumfahrung mangels Machbarkeit doch nicht gebaut wird? Was dann passieren wird – “…ich weiß es nicht…”.
Und was sagt die Gemeindeführung in Ehrwald zu diesem Thema? In der letzten GR-Sitzung meinte Bgm. Köck sinngemäß: Er sieht keine Veranlassung, darüber zu informieren. Jeder Bürger ist mündig, sich selbst zu informieren, Zeitungen zu lesen und Veranstaltungen zu besuchen.

Beide Bilder wurden mithilfe einer KI erstellt.