In einem ORF-Interview stellte unsere LH-Stvin die mit Jahreswechsel in Kraft getretenen neuen LKW-Fahrverbote als “Notwehrmaßnahmen” dar – und recht hat sie. Allein ich glaube nicht, dass sie viel mehr als Ärger mit unseren nördlichen Nachbarn bringen.
Im April 2020 titelte die Tiroler Tageszeitung “Corona bremst den LKW-Transit in Tirol“. Auch das stimmte, allerdings nur für etwas mehr als einen Monat. Im Juni waren die Zahlen wieder auf dem Niveau des Vorjahres. Die Zahlen der PKW fielen in dieser Zeit sogar um 80-Prozent und erreichten das Vorjahresniveau einen Monat später.
Was ich als große ungenutzte Chance sehe. Meiner Meinung nach hätte man diese Corona-Zeit dazu nutzen können, sich massiv für eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene einzusetzen. Neben den üblichen umweltrelevanten Vorteilen hätte es hier auch mehr Sicherheit für die Fahrer in Hinblick auf Corona gegeben. Diese wären im Prinzip nur noch auf lokalen Zubringern unterwegs gewesen.
Kostenmäßig hätte man ebenfalls neue Wege ausprobieren können. Meiner Meinung nach können die Tarife für die Schiene nicht um soviel höher sein, als dass sie nicht durch die Kosten der Stau-, Stand- und Ruhezeiten der Fahrer sowie die Mauten kompensiert werden. Vielleicht wäre es auch ein Ansatz gewesen, die Coronahilfen für die Bahn und die LKW-Frächter derart zu gestalten, dass die angeblichen Mehrkosten der Schiene vom Umwelt- und Verkehrsministerium übernommen werden. Ganz konkret: für jeden Frachtkilometer, der von der Straße auf die Schiene verlegt wird. Zweckgebunden, transparent und nachvollziehbar. Am Ende hätte man zumindest wertvolle Daten für zukünftige Lösungsmodelle bekommen.
Generell ist das System des internationalen Transits zu hinterfragen. Warum muss alles quer über den Globus bzw. durch Europa transportiert werden? In vielen Fällen heißt es, dass die Kunden/Konsumenten das wollen. Wollen wir das wirklich? Wollen wir im Winter Blaubeeren aus Peru, Erdbeeren aus China oder Butter aus Irland (die billiger als unsere aus Tirol sein muss)? Nein, meiner Meinung nach geht es ausschließlich um’s Geld, und zwar um das große Geld. Es geht um Förderungen, insbesondere Export- und Branchenförderungen, zur angeblichen Sicherung von Arbeitsplätzen.
Zurück zum Transit durch Tirol und unsere nördlichen Nachbarn. Warum funktioniert dort das System “Rollende Landstraße” und “Verlagerung auf die Schiene” nicht? Warum ist Deutschland säumig hinsichtlich der Zulaufstrecken zum Brenner Basis Tunnel? Ja, sie haben eine starke LKW-Lobby. Und wer ist der größte LKW-Frächter in Deutschland? Schenker – und wer ist sein Eigentümer? Die Deutsche Bahn, die wiederum ein rein staatliches Unternehmen ist. Damit ist der Deutsche Staat selbst dafür verantwortlich, dass diese Konzepte nicht vom Fleck kommen, weil sie es selbst gar nicht wollen.
David gegen Goliath könnte man sagen. Deutschland fürchtet sich nicht vor dem kleinen Österreich und schon gar nicht vor Tirol. Da wird einfach drüber gefahren – nicht nur im sprichwörtlichen Sinne. Da werden EU-Grundprinzipen vorgehalten. Dass es Deutschland selbst war, das am 13. September 2015 das Schengenabkommen außer Kraft gesetzt hat und seither bewaffnete Grenzkontrollen zu Österreich aufrecht hält, wird verschwiegen. Ebenso, dass die EU-Charta und auch die Menschenrechte sehr wohl auf die Gesundheit der Bevölkerung Bezug nehmen. Diese Gesundheit jener, die entlang der Transitrouten leben, ist höher einzustufen als das geschäftliche Interesse derer, die für überbordenden Transit eintreten. Besonders dann, wenn es eine Alternative gibt: die Verlagerung auf die Schiene.