Schneeräumung gratis – für alle?

Die Liste “Ehrwald-Eins” ist mit einem großen Thema in den Wahlkampf gezogen: “Die Schneeräumung ist ein Problem, das muss gelöst und vor allem billiger werden…”. So wurde ein Winterdienst-Ausschuss ins Leben gerufen, der sich damit ausführlich beschäftigt hat. In diesem waren alle GR-Fraktionen vertreten – nur wir nicht (Details siehe 2. GR-Sitzung vom 19.04.2022)

Der Ausschuss tagte insgesamt viermal und jetzt liegt das Ergebnis dieser umfangreichen Arbeit vor. Ich war bei der letzten Sitzung als Zuhörer anwesend und kann bestätigen, dass sich alle Mitglieder sehr engagiert und bemüht haben. Es wurde viel Zeit investiert und man hat intensiv nach guten Lösungen gesucht. Die GemNova hat daraus ein Vertragswerk erstellt (wofür sie 5.600,- € in Rechnung stellen wird). In der Folge beziehe ich mich auf diese Originalunterlagen, wie sie in der Infomappe für die Gemeinderäte zur Verfügung gestellt wurden.

Ist es wirklich der große Wurf geworden und kann es das Problem der Schneeräumung in Ehrwald tatsächlich nachhaltig lösen? Keine Schneedepots, keine illegale Entsorgung im Gaisbachbecken oder an anderer Stelle mehr? Kann sogar das Wahlversprechen, dass die Schneeräumung billiger wird, eingehalten werden – wenn man es von der globalen Seite sieht, auch falls die Kosten für die Gemeinde selbst sich nur unwesentlich verschieben sollten?

Lassen wir uns überraschen und gehen alles Punkt für Punkt der Reihe nach durch:

Seite 4 – Punkt 1.2.1:

Das Gemeindegebiet umfasst alles, nicht nur die Wohngebiete und Straßen. Es gibt in der Folge auch keine Einschränkung auf Gemeindestraßen. Somit sind eigentlich auch Privatstraßen/zufahrten eingeschlossen.

Solche “…private Wege und Plätze…” sind zwar im nächsten Absatz wieder ausgenommen, doch erfolgt dies unter Verweis auf §93 der StVO und dieser bezieht sich auf “…dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege…” und nicht private Zufahrten.

Seite 5 – Punkt 1.2.2

Der letzte Satz verbietet die Ablagerung des Schnees innerhalb des Gemeindegebietes von Ehrwald. Er muss somit in andere Gemeindegebiete verbracht werden. Ob es hierzu schon Verhandlungen gegeben hat? Mit “entfernt” wäre u.U. auch eine großangelegte Schneeschmelzanlage zumindest theoretisch möglich.

Ich finde diese beiden Formulierungen als genialen Lösungsansatz. Und das Schönste daran, es gilt für alle Flächen im Gemeindegebiet. Okay – sind wir fair und nehmen Gärten, Wiesen, Felder und Forststraßen mal raus. Konzentrieren wir uns lediglich auf Verkehrsflächen wie Straßen, täglich benutzte Wege und Zufahrten sowie Parkflächen. Auch hierfür gibt es keine Einschränkungen, ob sich diese im Gemeinde-, Privat- oder Landesbesitz befinden. Die Landesstraße kommt im gesamten Vertrag gar nicht vor – nicht einmal als Garmischer-, Haupt-oder Innsbrucker Straße.

Die Gemeindebürger wird’s freuen, die eingesessenen Schneeräumer werden fluchen, da sie damit ihr einträgliches Wintergeschäft verlieren könnten. Da hilft ihnen nicht einmal eine andere Formulierung in den Vertragsbedingungen, welche sie zur Kompensation auslegen könnten:

Seite 5 – Punkt 1.2.3

Die Streumittel werden ausschließlich von der Gemeinde zur Verfügung gestellt – offensichtlich kostenlos und ohne Mengenbeschränkung. Nicht einmal die Erbringung eines Verwendungsnachweises konnte ich im Vertragstext finden. Sie müssen lediglich die Entnahme dokumentieren. Im Prinzip könnten sie es als Lieferant auch wieder der Gemeinde verkaufen.

Seite 6 – Punkt 1.2.8

Die Schneeräumer sind verpflichtet mit einem veralteten System ihre Fahrten zu dokumentieren. Ein modernes, zeitgemäßes System ist nicht zulässig.

Zum Verständnis: GPS (Global Positioning System) ist der Standard zur Positionsbestimmung und entsprechende Module sind heute fast in jedem Gerät insb. Fahrzeug zu finden.

GPRS (General Packet Radio System) ist ein Dienst, der im Jahr 2001 den GSM Mobiltelefonen erstmals einen Internetzugang ermöglichte. Er wurde durch UMTS, LTE und jetzt 5G schon längst abgelöst.

Gut, so etwas müssen Fachjuristen nicht unbedingt wissen, aber was ist mit dem nächsten Punkt?

Seite 7 – Punkt 2.1

Der Vertrag wurde von Juristen der GemNova ausgearbeitet und stellt zivilrechtliche Vereinbarungen über Bundesgesetze…

Seite 6 – Punkt 1.2.7

Hier sind insgesamt 17 Personen angeführt, welche alle den Schneeräumern Anweisungen erteilten dürfen. Welche Anweisung zählt, wenn es Widersprüche gibt?

Obige Punkte stammen alle aus dem Dokument “Leistungsbeschreibung & Vertragsbedingungen”. Der nachfolgende dagegen aus den Verfahrensbestimmungen:

Seite 13 – Punkt 4.2.3

Also meine PKW-Haftpflicht umfasst 20 Mio € und die für meinen 1,5 to Anhänger 15 Mio €. Ich gehe davon aus, dass mein Risiko wesentlich geringer ist und ich damit wohl kaum zB. einem Reisebus ernsthafte Schäden zufügen kann.

Auch wenn die letzten Punkte das Bild etwas trüben, freuen wir uns auf einen schönen Winter mit absolut schneefreien Straßen, Wegen und Parkplätzen und ohne hässliche und illegale Schneedepots.

— Wichtige Anmerkung —

Ich möchte eindeutig und mit Nachdruck festhalten, dass diese Texte allesamt Faksimile aus den Originalunterlagen der GR-Mappe sind, welche mir von der Gemeinde zur Verfügung gestellt wurden. Es fanden sich hier keinerlei Hinweise auf Vertraulichkeit oder gar Geheimhaltung. Das Gesamtvertragswerk ist Kern einer öffentlichen Ausschreibung als offenes Verfahren im Oberschwellenbereich und unterliegt somit m.E. auch keinerlei Verschwiegenheitsverpflichtungen.

Die Anmerkungen und Interpretationen stellen meine persönliche Meinung ohne alleinigen Wahrheitsanspruch dar. Ich bin kein Jurist und kann durchaus bei einzelnen Punkten einem Irrtum respektive Fehlinterpretation unterliegen. Sollte dem so sein, bin ich für jeden fachlichen und sachlichen Hinweis dankbar.

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27.07.2022 … Ich möchte noch einmal ausdrücklich festhalten, dass dieser Beitrag keine Kritik am Winterdienst-Ausschuss und seinen Mitgliedern ist. Diese haben sich redlich bemüht und sich wirklich tief in die Materie hinein gearbeitet. Dennoch kann ein anderer Blickwinkel nicht schaden und die hier aufgezeigten potenziell kritischen Formulierungen sind keinesfalls ihnen als Fehler zuzuordnen. Vielmehr dienen sie als Hinweis, worauf man bei der Ausgestaltung des endgültigen Vertrages achten sollte, um etwaige spätere Probleme zu vermeiden. Verträge sind Rückzugsgefechte, welche man im Falle von Problemen und Streitigkeiten selbstverständlich konträr und für sich passend auslegt. Nichts anderes will ich damit aufzeigen.