Der Tourismus ist seit über 100 Jahren eine zentrale Einkunftsquelle für viele Bewohner Tirols. In manchen Regionen (wie bei uns) ist er sogar die bei weitem überwiegende. Doch es war der Tourismus und seine Auswirkungen, welche in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg die Tiroler Tier- und Pflanzenwelt sehr in Mitleidenschaft gezogen hatten. Als Reaktion darauf wurde die Tiroler Bergwacht gegründet und am 31.10.1927 das erste Bergwachtgesetz in Kraft gesetzt.
Schon damals war den Verantwortlichen bewusst, dass die Gäste gerade wegen der intakten und schönen Natur und Umwelt zu uns kamen. Sie kamen, um hier das zu genießen, was es bei ihnen in den Städten vielfach nicht mehr gab. Sie kamen nicht wegen der schönen Nase des Gastwirtes, der netten Mädchen oder des Alkohols – das gab und gibt es anderswo billiger. Nein, es ist unsere Natur und Umwelt, welche unsere Lebensgrundlage bildet. Um ihre Zerstörung durch unkontrollierten Tourismus zu verhindern, wurde die Tiroler Bergwacht geschaffen und das ist ihre zentrale Aufgabe von Anfang an.
Das bedeutet nicht, dass Tourismus und Bergwacht Gegensätze sind. Nein, im Sinne eines gemeinsamen Interesses, können beide an einem Strang ziehen und das Beste für alle hervorbringen. Das wäre eine Win-Win-Win Situation zwischen Gästen-Natur-Einheimischen. Doch leider gibt es, wie so oft auf allen Seiten einzelne Grüppchen, die ihr eigenes Süppchen kochen, und auf Kosten der anderen ihre Interessen durchsetzen. Immer wird dabei betont, dass alles zum Wohle des Tourismus und damit auch zum Wohle der Bevölkerung, niemals zum eigenen Vorteil, geschieht.
Eingriffe in die Natur sind immer nachhaltig – besonders im negativen Sinne. Vieles braucht mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte, bis sich die schlimmen Folgen deutlich zeigen. Meist sind sie dann katastrophal im wahrsten Sinne des Wortes und nicht bzw. nur sehr schwer umkehrbar – in noch längeren Zeiträumen. Darum sollte man sich immer fragen, ob dieser konkrete Eingriff in die Natur und Umwelt unbedingt notwendig ist, oder ob es nicht doch andere bessere, weil weniger invasive Lösungen gibt. Lebensraum ist in Tirol kostbar, weil nur sehr begrenzt vorhanden. Das gilt auch für die Tier- und Pflanzenwelt. Wir leben hier nicht alleine und sind nur ein kleines Zahnrad in einem großen Gefüge.
Der Mensch bezeichnet sich gerne als die Krone der Schöpfung und doch ist er das dümmste Lebewesen auf diesem Planeten. Er ist das einzige, welches seinen und den Lebensraum anderer Spezies gezielt und nachhaltig zerstört und vernichtet.
Wer hier nach Einsicht sucht, wird wenig finden. Die Tourismusbranche will die sprichwörtliche Kuh melken, solange es geht – koste es was es wolle. Viele Bewohner können sich dagegen gar nicht wehren, weil sie direkt davon abhängig sind und andere wollen oder können es einfach nicht wahrhaben. So driften die Interessen weiter auseinander. Viele resignieren und wollen einfach nur noch (halbwegs in Ruhe) leben.
Dies gilt auch für die Tiroler Bergwacht selbst. Einst eine geschlossene Kameradschaft, die mit Herz und Seele dabei war. Jeder Bergwächter opfert viel Zeit und Energie – ehrenamtlich, ohne jegliche Bezahlung und vielfach ohne jeden Dank. Dass man sich das eine oder andere Mal auch gegen einen Freund, Nachbarn oder sogar die Verwandtschaft durchsetzen muss, nahm man in Kauf, wenn am Ende doch ein positives Ergebnis für die Gemeinschaft herauskam. Heute ist alles viel unpersönlicher und es wird nicht mehr diskutiert. Von Gesetzeswegen muss jetzt gleich gestraft werden. Parallel dazu verschoben sich die internen Interessen – jetzt ist das Wichtigste die Diensthundestaffel, eine Einrichtung, welche man im Bergwachtsgesetz vergeblich sucht. Dafür gibt es die Führungskräfteschulungen (laut Gesetz jährlich mind. 1x vorgeschrieben) schon lange nicht mehr. Zudem werden Führungskräfte, konkret Einsatzstellenleiter, bei Angriffen gegen ihre Diensttätigkeiten im sprichwörtlichen Regen stehen gelassen. In der Folge werden auch gesetzliche Unvereinbarkeiten von Positionen (konkret Einsatzstellenleitung und Bezirksleitung) ignoriert.
Ein bekanntes Sprichwort lautet: “Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken.” In diesem Sinne versinkt die Tiroler Bergwacht aktuell in ihren eigenen hausgemachten Problemen und ist offensichtlich kaum mehr in der Lage ihre gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen, fehlt ihr doch auch vielfach die Akzeptanz vonseiten der Behörden. Diese Schwäche ist ein Teufelskreis, denn sie wird umgehend von jenen ausgenutzt, welche schon immer der Meinung waren, dass sie ungestört schalten und walten können sollten – frei nach Diogenes: “Störet meine Kreise nicht!”
Wie bereits dargestellt, ist das Gleichgewicht zwischen Natur und Mensch ein sehr sensibles und das gilt ganz besonders zwischen Natur und Tourismus. Sehr schnell kann es dabei passieren, dass man sich den Ast, auf dem man selbst sitzt, absägt und so in eine Situation kommt, in der es nur noch Verlierer gibt. Ohne intakte Natur gibt es bei uns keinen Tourismus, aber ohne Tourismus kann es sehr wohl eine intakte Natur und Umwelt geben. Dann – und nur dann – würde auch die Daseinsgrundlage für die Tiroler Bergwacht wegfallen. Das sollten Touristiker und die ihnen gefälligen Politiker niemals vergessen.
Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Wir alle brauchen die Tiroler Bergwacht, sie wäre der gesetzliche Garant für eine intakte Natur und Umwelt, wenn sie denn von allen Seiten respektiert und wertgeschätzt würde.