Heute wurde auf der ORF-Tirol Seite der Finanzbericht des Landes Tirol für das Jahr 2021 veröffentlicht und wie zu erwarten war, schneidet unsere Gemeinde hier nicht gerade positiv ab. Im Ranking der 279 Tiroler Gemeinden liegt unsere Gemeinde auf Platz 29 beim Verschuldungsgrad – 250 oder anders ausgedrückt 90% aller Tiroler Gemeinden sind damit besser aufgestellt als Ehrwald. Ein niedriger Rang ist in diesem Fall sehr schlecht.
Die Gemeindeführung (und vor allem die abgelösten Verantwortlichen und ihre parteipolitischen Nachfolger) werden nicht müde darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um eine rein rechnerische Kenngröße handelt, welche praktisch keine Aussagekraft habe. Doch sehen wir uns das einmal genauer an und vergleichen die Entwicklung der letzten 14 Jahre. Die nachfolgenden Grafiken kann man durch Klick im vergrößert betrachten. Sie stammen (bis auf die erste) von der offiziellen Statistikseite des Landes Tirol. Wer sich selbst ein Bild machen möchte – hier ist der ideale Startpunkt.

Aus dieser Darstellung kann man erkennen, dass Ehrwald bei diesem ominösen Verschuldungsgrad bis 2018 ganz gut lag. Im Vergleich zu den anderen Gemeinden begann der Abstieg im Jahre 2013. Unter den finanzstärksten Gemeinden sind wir schon lange nicht mehr, jetzt nehmen wir langsam aber sicher eine Spitzenposition unter den schwächsten Gemeinden Tirols ein.
Das Jahr 2020 muss als kosmetischer Korrekturversuch betrachtet werden, um die Effekte einer neuen Abrechnungsmethode zu kaschieren.

Dies erkennt man recht deutlich, wenn man die Schulden den Haftungen gegenüber stellt. Hierbei ist anzumerken, dass die Gemeinde insb. für die “Freizeitbetriebe Tiroler Zugspitze” (ehemals Ehrwalder Erschließungsgesellschaft) sehr hohe Haftungen (als Bürge und Zahler) eingegangen ist und zudem noch laufende Ausfallszahlungen leistet (aktuell 24.000,- € monatlich – nachzulesen im GR-Protokoll der 5. Sitzung).

Die fortlaufenden Einnahmen sind eigentlich gar nicht so schlecht, doch stagnieren sie seit 2017 und befinden sich auf einem ähnlichen Niveau wie die laufenden Ausgaben.
Der viel zitierte “Corona-Effekt” (keine Gäste = weniger Einnahmen insb. bei den Kanalgebühren) ist hierbei nur mit der Lupe zu erkennen und m.E. nicht so maßgeblich wie zB. die oben beschriebenen Abgänge.

Sehr deutlich erkennt man dies auch am Rückgang des Nettoüberschusses – das was am Jahresende übrig geblieben ist. Wenn nichts mehr übrig bleibt, kann man auch schwer Rücklagen bilden. Damit schwindet das sprichwörtliche “Familiensilber” zusehends. Ohne solche Rücklagen ist man sehr anfällig auf unvorhergesehene Ereignisse und kann schnell in finanzielle Notsituationen geraten, aus welchen man sich nur durch Ausverkauf von Gemeindevermögen kurzfristig befreien kann – wie auch im Beitrag “Ein Geschenk, das keiner will” dargestellt.

Was machen andere Gemeinden besser? Wir brauchen nur einen Blick über’s Moos werfen – Lermoos steht als Bezirksmeister sogar österreichweit bestens da.
Man muss sich zähneknirschend eingestehen, dass es wohl an einer verfehlten Gemeindepolitik liegt. Bestes Beispiel dafür, unser “Gewerbepark Ehrwalder Schanz”. Wo andere Gemeinden sich saniert haben, haben wir ein (wenn nicht das einzige) Gewerbegebiet mit massiven Verlusten geschaffen – siehe Beitrag “Verlustgebiet Schanz“. Zusätzlich riss das Chaos rund um die Gasleitung (vier Jahre vor dem Neuanschluss-Verbot) und Glasfaseranbindung ein gewaltiges Loch in die Gemeindekasse.
Ein altes Sprichwort lautet: “Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast”. Corona und die Berichterstattung hat uns dies wieder sehr deutlich vor Augen geführt. Es gibt immer mehrere Gesichtspunkte – und Kennzahlen sind nur soviel wert, wie man ihre Berechnung nachvollziehen kann. Man darf diese nie für die alleinige Wahrheit ansehen, sondern muss sie immer im Zusammenhang betrachten. Dennoch sind sie ein Gradmesser und ihr Sinn und Zweck ist es, auf Tendenzen hinzuweisen, damit man sich RECHTZEITIG darauf einstellen, vorbereiten und ggf. gegensteuern kann – um sich vor größeren Problemen zu schützen.
In diesem Sinne ist es unsere Aufgabe, als gewählte Gemeinderäte zu Ehrwald, die Gemeindeführung immer wieder auf ihre Verantwortung hinzuweisen – sie sind lediglich die Verwalter des Gemeindevermögens. Dafür wurden wir gewählt und wir stehen zu unserer Verantwortung, während andere nicht einmal mehr zu ihrer Parteizugehörigkeit stehen.
16.08.2022 … nach Rückfragen habe ich im ersten Absatz den letzten Satz ergänzt. Normalerweise ist Platz 1 die beste Position, in diesem Fall ist es die schlechteste. Im zweiten Absatz habe ich von “Doppelklick” auf “Klick” umgestellt.