Die Katze ist aus dem Sack, nachdem es die Spatzen schon länger von den Dächern pfeifen und auch Bgm Köck auf der Gemeindeversammlung sehr kurz dazu Stellung genommen hat, kam gestern auf der ORF-Tirol-Homepage sowie im ORF-Tirol heute ein Bericht über den geplanten Windpark in Ehrwald.
Fakt ist, dass das NÖ-Unternehmen “Im Wind” bereits im Juli 2023 – auf Betreiben der beiden Substanzverwalter M. Leitner und D. Wilhelm – eine Präsentation in der 15. GR-Sitzung des Projektes durchführte. Den anderen GR-Fraktionen war davon im Vorfeld nichts bekannt gegeben worden. Dabei wurde auch eine detaillierte Infoveranstaltung versprochen.
In der 17. GR-Sitzung stellte sich dann heraus, dass das Unternehmen “Im Wind” zunächst nur mit den einzelnen GR-Fraktionen – möglichst einzeln – über das Projekt diskutieren will, um ein Stimmungsbild einzuholen. Anders gesprochen: um mögliche Gegenargumente zu erfragen und sich dann idF darauf vorbereiten zu können. Diese Gespräche haben dann in der KW 45 stattgefunden – wir waren am 8. November an der Reihe. Im Zuge dieses Gespräches ergaben sich dann folgende Antworten des Unternehmens “im Wind”:
- Anzahl der Windräder: die zur Verfügung stehende Flächen werden aus wirtschaftlichen Gründen maximal ausgenutzt – somit dzt. geplant 11 Stk, mit einer Nabenhöhe von 150 m.
- Flächenbedarf pro Windrad ca. 4-7.000 m² während der Bauphase, Gesamtanlage ca. 80.000 m² = 8 ha müssen abgeholzt werden. Davon werden idF je Windrad 5.000 m² zu 7,- €/m² gepachtet. Rest wird wieder aufgeforstet – bis auf 2.500 bis 3.000 m² je Windrad (für Fundament und Kranstellfläche für Wartung und Reparatur). Hinzu kommt noch die Verbreiterung der Zufahrtswege. Die Behauptung von Substanzverwalter M. Leitner im TV, dass der größte Teil dieser Flächen bereits gerodet sei, entbehrt jeder Grundlage. Zumal da es eine Wiederaufforstungspflicht gibt, welche bis zur endgültigen Entscheidung umzusetzen ist.
- Stehen werden die Windräder sinnvollerweise auf erhöhten Punkten (Rücken und Gipfeln), womit sie weithin sichtbar sind – eigentlich von überall aus dem Talkessel.
- Umspannwerk ist Biberwier – es muss somit eine Anschlussleitung (~8 km, 30 kV Erdkabel im Pflugverfahren) von den Windrändern bis nach Biberwier gegraben werden (quer durch das Unterdorf und das Moos – inkl. Naturschutzflächen) – siehe Anmerkung unten.
- Fundament eines Windrades: Durchmesser 25 m, 2,5 m Höhe = 1.230 m³ – insgesamt 13.500 m³ Beton, das ergibt 1.700 Fahrten mit je 8 m³. Die Fundamente werden NICHT eingegraben – siehe Anmerkung unten.
- Für den Transport muss das Wegenetz erweitert, verbreitert (6-8 m) und befestigt (tauglich für Schwerlasttransporte) werden – zahlt “Im Wind”. In der Folge erhält “Im Wind” auch Wegerechte für Wartung und Betrieb – siehe Anmerkung unten.
- Betrieb der Anlage bei Windstärken zwischen 3 bis 28 m/sec = 11 bis 100 km/h. Außerhalb dieses Bereiches steht die Anlage still und produziert nichts. Rein wirtschaftlich ist eine Jahresmittel-Windgeschwindigkeit von 6 m/sec = 22 km/h notwendig.
- Ein Windrad kann ~4.000 Haushalte versorgen – somit würde dieser Windpark mit 11 Windrädern 44.000 Haushalte versorgen – im Bezirk Reutte gibt 14.244 Haushalte mit gesamt 33.284 Einwohnern (Stand 2020). Zum Vergleich Ehrwald hat 1.046 Haushalte mit 2.572 Einwohnern. 44.000 Haushalte hat die Stadt Wels i. OÖ. mit 62.403 Einwohnern.
- Bevorzugte Strom-Lieferungen für Ehrwald (Stichwort Versorgungssicherheit, Blackout): ist technisch NICHT möglich (Einspeisung ins Netz in Biberwier und dann ist der Strom bereits verkauft).
- Förderungen: laut “Im Wind” einzig und allein nur der garantierte Einspeisetarif resp. die Marktprämie der OeMAG auf 20 Jahre. Weder vom Land Tirol noch von der EU soll es Förderungen geben.
- Im Vorfeld werden Windmessungen (bis zu 105 m Höhe) gemacht, das wird ca. 150-200.000,- € kosten.
- Gesamtinvestitionskosten: 110 Mio € – an dieser werden sich Private mit einem Nachrang-Darlehen (Anleihe) mit 10-jähriger Laufzeit beteiligen können.
- Zeitplan: 2024/25 Planungen und Messungen, 2025-28 UVP-Genehmigungsverfahren, 2029 Ausschreibung der Bauvorhaben, Baubeginn 2029-31 => Inbetriebnahme frühestens Ende 2031
- Negative Auswirkungen auf Tourismus sieht “Im Wind” nicht, es wird eher zusätzlichen “Techno Tourismus” (Gemma Windradl schaun) geben.
- In einem Radius von 250 m rund um das Windrad gilt “Betreten auf eigene Gefahr” – Gefahr des Eisfalls im Winter
- Es wird zwei Vertragswerke geben: einen Partnerschaftsvertrag für die Nutzung des öffentlichen Gutes zwischen der Gemeinde und “Im Wind” sowie einen Dienstbarkeitsvertrag (zunächst einen Vorvertrag dazu) zwischen “Im Wind” und der Agrar-Gemeinde. Daraus erlöst die Gemeinde 15.000,- € und die Agrar 20.000,- € jährlich je Anlage. Bei Baubeginn gibt es einmalig 4.000,- € und 3 x 3.000,- während der Bauphasen an die Agrar. Die Verträge können (ab Baubeginn) für 35 Jahre nicht mehr gekündigt werden.
- Für den Abbau (nach Nutzungsende) wird eine Bankgarantie iHv 75.000,- € je Windrad hinterlegt – somit 0,75% der Gesamtsumme. Sollte der Abbruch, Abtransport und Entsorgung der Anlagen in der Zukunft deutlich mehr kosten, wäre es für “Im Wind” billiger diese einfach stehenzulassen (was dzt. in vielen Ländern passiert).
- Für die Gesamtanlage wird es einen eigenen “Windwart” geben – sicher ein gut bezahlter Job ohne viel Aufwand.
Am Mo. 15. Jänner soll es eine Bürger-Infoveranstaltung von 16:00 bis 20:00 im Zugspitzsaal geben, auf welcher sich die Bürger/-innen direkt bei “Im Wind” erkundigen können. Danach erwartet sich das Unternehmen “Im Wind” eine Entscheidung vom Gemeinderat, in welcher sich dieser für die weiteren Schritte festlegt – bevor die Windmessungen und weitere Überprüfungen hinsichtlich der Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit des Windparks gemacht werden.
Diese Vorab-Entscheidung des Gemeinderates sehe ich als “Persilschein”, als “Freibrief” an. Der Gemeinderat soll sich auf die Aussagen und Versprechungen eines Großinvestors verlassen und eine Grundsatzgenehmigung erteilen für etwas, von dem bis dato noch niemand sagen kann, wie es wirklich aussehen und welche Auswirkungen es haben wird.
Aber wie sagen die Vorstreiter für dieses Projekt im Gemeinderat: “Wir kennen uns nicht aus und verlassen uns auf die Experten, die das wissen müssen…”. Gemeint ist das Unternehmen “Im Wind”. Auf meine Frage, warum auch hier – wie de facto bei allem – nicht auch Alternativ- und Gegenangebote eingeholt werden, kam wieder die übliche Antwort: “Weil die sich auskennen und die einzigen sind, die das können…”. Eine Kurzsichtigkeit, die uns sehr teuer zu stehen kommen könnte.
Die Absichten hier einen wesentlichen Beitrag zur Energiesicherheit zu leisten sind vorbehaltlos anzuerkennen. Die konkrete Umsetzung (insb. die Argumentationslinien) sind gewohnt fragwürdig. Die Reichweite der Entscheidung ist viel zu groß und schwer, als dass man sie so kurzfristig über’s sprichwörtliche Knie brechen darf. Ohne das Einholen von weiteren Expertenmeinungen und Angeboten interpretiere ich sie sogar als grob fahrlässig.
Aber was mache ich mir denn Sorgen – unser Bgm. Köck hat doch in jeder Diskussion versprochen, dass er respektive der GR das nicht entscheiden wird, sondern die Bürger/-innen in einer Bürgerbefragung. Auch wenn er das im ORF-Interview vom 4. Jänner 2024 nicht mehr so klar sagen wollte, fordere ich ihn auf, sich an seine Versprechen zu halten – schon allein im Sinne seiner eigenen Glaubwürdigkeit.
Damit sich die Bevölkerung jedoch entscheiden kann, muss sie auch die Möglichkeit haben, sich zu informieren. Sich Fakten und Meinungen aus unterschiedlichen Blickrichtungen einholen, darüber frei diskutieren und sich eine eigene Meinung bilden können. All das braucht Zeit und Vorbereitung.
Zudem gibt es auch andere regenerative Alternativen zum Wind: effizienteres Energiemanagement, Energie einsparen, Photovoltaik, Geothermie uvam. Bis dato gab es hier kaum nennenswerte Ansätze – schon gar nicht von der Gemeindeführung.
Und es gibt einen guten Grund, warum es in Tirol noch keine und dafür in Ostösterreich viele Windräder gibt: Der Bau solcher Anlagen und der damit verbundene Eingriff in die Natur und Umwelt ist im Gebirge wesentlich komplexer und (im negativen Sinne) nachhaltiger als im Flachland. Zudem belegt der Windatlas (leider dzt. nicht verfügbar – aber siehe internationalen Windatlas) deutlich, dass die notwendigen Windstärken im Osten um ein Vielfaches besser gegeben sind:
Die besten Regionen sind in Rot, die schlechteren in Blau markiert. Das sollte eigentlich auch einer Umweltministerin einleuchten.
Ein Sprichwort sagt: “Wenn man nicht weiß, worum es geht, geht es um Geld”.
Bgm Köck nennt in diesem Zusammenhang immer wieder die von LH Mattle ausgelobten 100.000,- € für das erste Windrad in Tirol, die er unbedingt haben will. Selbst wenn man die in Aussicht gestellten 350.000,- € jährlich (ab 2030) heranzieht, muss man sich fragen, ob uns unsere intakte Umwelt und Natur so wenig wert ist? Sind wir so billig zu haben? Liegt uns so wenig an unserem Lebensraum und Lebensgrundlage, dass wir es für Geld aufgeben? Unseren nachfolgenden Generationen ein derart schwerwiegendes Erbe hinterlassen wollen?
Diese Entscheidung wird jeder für sich treffen müssen – sie auszusitzen, sich einfach heraushalten und keine Meinung zu haben heißt das Ergebnis hinnehmen zu müssen, weil man ihm ja stillschweigend zugestimmt hat. So fordere ich Euch alle auf: Informiert Euch, diskutiert das Thema, bildet Euch Eure eigene Meinung und stimmt in deren Sinne bei der vom Bgm Köck versprochenen Bürgerbefragung mit ab.
Es reichen einige wenige aus, die für ein Ergebnis stimmen. Wenn der Großteil (eigentlich das Gegenteil davon wollen) sich aber aus unterschiedlichen Gründen nicht äußern bzw. positionieren will, dann kommt es trotzdem, wie es die wenigen wollen. Aber das ist uns ja schon bekannt, dass es anders kommen kann, als man eigentlich wollte – wenn man sich nicht aktiv für seine Meinung einsetzt. Dann ist man nur Passagier in einem Boot, welches von den Verantwortlichen über den Abgrund gesteuert wird.
Ein unverbindliches und anonymes Stimmungsbild (diese Umfrage ist bis 31. Juli 2024 aktiv):
Wie stehst Du zu dem Windpark Projekt?
- NEIN - kommt für mich nicht in Frage (65%, 307 Stimmen)
- JA - ich bin für das Projekt (28%, 131 Stimmen)
- Ich muss mich erst noch im Detail informieren (7%, 32 Stimmen)
Gesamtanzahl der Teilnehmer: 470
Ich persönlich vertrete die Meinung, dass es das nicht wert ist. Unsere Natur und Umwelt ist mir zu kostbar, als dass wir sie dafür opfern dürfen. Aus diesem Grund werde ich jedenfalls gegen das Projekt stimmen.
05.01.2024 … Herr DI. M. Pölzler von “Im Wind” bat mich um Aufnahme folgender Korrekturen bzw. Klastellungen:
- Die aktuelle Trassenführung soll nicht durch das Moos erfolgen, sondern über den Lärchenwald entlang eines bestehenden Weges von Ehrwald nach Biberwier. Falls ich die genaue Trassenführung bekomme, werde ich sie hier veröffentlichen.
- Die Wegverbreiterung auf 6-8 m bezieht sich auf das Lichtraumprofil. Der Weg selbst kommt mit 4 m aus.
- Die genauen Fundamentabmessungen hängen von geologischen Faktoren ab. Hierzu müssen noch Bodenuntersuchungen gemacht werden. Das soll wohl bedeuten, dass sie uU. auch größer ausfallen könnten.
05.01.2024 … Im Sinne der Transparenz habe ich das offizielle Flugblatt welches alle Haushalte erhalten sollen in den Text eingefügt. Ich bin schon gespannt ob es wirklich ALLE Haushalte im ganzen Talkessel (weil es alle drei Gemeinde betrifft – zumindest optisch) erhalten werden. Oder ob es wie schon beim Thema Hallenbad und Gemeindeversammlung wieder nur eine möglichst eingeschränkte Bevölkerungsgruppe erhalten wird, damit nicht zu viele kommen. Es kommt allein schon darauf an, wie der Postwurf in Auftrag gegeben wurde (“Bitte keine Werbung” verhindert in diesem Falle viel).